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  • samtweich

Über das "allein sein".



Ich bürste mir die Haare und wische mit der Faust über mein Spiegelbild, welches vom Dampf des heißen Wassers trüb geworden ist. Wimperntusche, ein hoher Dutt und ein bisschen Puder, welches ich mir auf die Wangen streiche. Ich wähle dazu ein paar Sneakers und ein locker sitzendes Kleid. Mit dem Computer unter der Hand verlasse ich die Wohnung und laufe los. Während dessen ich mir die Airpods in die Ohren stecke und mich von der Musik einhüllen lasse, schweifen meine Augen von Cafe zu Restaurant und zurück. Schnell entschlossen lockt mich das kleine türkische Restaurant neben dem Ufer, in welchem ich ein paar eingelegte Weinblätter, Humus und warmes Fladenbrot bestellte. Der Geschmack, welcher sich in meinem Mund ausbreitete, als ich einen Bissen mache, füllte meinen Dopaminspeicher auf.

Alleine lasse ich mich treiben und suche nach den Unterkünften, für meine bevorstehende Reise. Gedanken kreisen und ich stelle fest, dass ich das gerade alles nur für mich mache.


Es gibt keinen, der sich für mich so interessiert, wie ich mich für mich selbst.


Eigentlich bin ich ziemlich glücklich, denn ich habe mit 27 verstanden, worauf es wirklich ankommt. Es ist nicht immer einfach und oft ertappe ich mich dabei, wie sich meinen Gedanken überschlagen, aber ich weiß, wie ich sie fangen und bändigen kann.

Ich habe gelernt, wie gut es tut, wie schön es ist und wie es mir hilft, allein zu sein.

Lange habe ich das kritisiert, denn wie stellen wir uns Frauen vor, die mit Mitte 30 noch immer alleine sind? Wir betitteln sie mit den Synonymen: einsam, keine Freunde, lagweilig, depressiv, seltsam und komisch.

Viele Freunde sind ein Zeichen dafür, dass man beliebt und gemocht wird. Es bedeutet auch, dass die Art und der Charkter, der Humor und die Einstellungen sich mit denen der Anderen matchen.


Es ist der erste Urlaub, denn ich ganz allein erleben werde. Und obwohl ich schon zum 2´ten Mal ausgewandert bin, ist es eine Erfahrung, die mich prägen wird.

Sicherlich denke ich darüber nach, wie ich die Marmeladenglasmomente einfangen kann, denn ich kann den Moment nur mit mir selber teilen.

Aber vielleicht geht es genau darum. Ich merke oft, dass ich die Zeit allein brauche und auch einfordere.

Ich weiß, dass ich auch Erinnerungen ganz allein für mich sammeln kann. Ich muss es niemanden beweisen und ich muss es eigentlich auch mit niemanden teilen. Die Entscheidung hier zu leben und die nächsten Wochen zu reisen, habe ich für mich getroffen. Ich weiß, dass es weiterhin so sein wird, dass ich es präveriere, mit Freunden zu reisen um gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Allerdings glaube ich auch, dass ich Erlebnisse erzählen kann, die ich vielleicht nie gemacht hätte, wenn ich diesen Schritt nicht wagen würde. Raus aus der Komfortzone: Google Maps wird mich schon führen.


Doch worum geht es wirklich?

Es geht darum, sich auf sich selber zu fokussieren und zu reflektieren, wer man ist, was man erreichen will und was man bereits erreicht hat. Es geht aber auch darum, über den eigenen Schatten zu springen und sich den Ängsten und Herausforderungen zu stellen.

Man ist überrascht, was alles ausserhalb der Komfortzone passiert und vor einem liegt. Welche wunderbaren Dinge man nur dadurch erlebt und wie stolz man sein kann, was am Ende doch alles gemeistert wurde. Raus aus dem Alltag und rein in das Ungewisse. Für mich ist es aber auch die Chance meinen Perfektionismus herauszufordern und spontaner zu werden. Auf meinen Körper zu hören und genau das zu machen, auf was ich Lust habe, sich das trauen, was sich andere nicht trauen.


Mit 27 habe ich verstanden, vielleicht nicht immer zu 100% begriffen, dass es nicht zählt, was andere von mir denken, denn ich muss zunächst mit mir zurecht kommen, bevor ich anfange, andere Dinge zu reparieren. Meine Reise hat bereits begonnen und ich weiß, dass ich eine von viele bin, die sich am Ende der zwanziger neu finden muss und sich fragt, wer man wirklich ist oder wer man sein kann.


Ich bin mir sicher, dass ich so viele Marmeladenglasmomente in mein kleines Buch notieren werde, welches nach der Reise nicht nur mit Sandkrümeln und vietnamesischem Bier voll sein wird.

Es ist ein Schritt, der mich näher zu mir bringen wird und ich bin mir sicher, das mir dieser ganz sicher eine Seite von mir zeigen wird, die ich bisher noch gar nicht kennenlernen durfte.


Ob ich Angst habe? Nein, aber Bedenken, denn auch wenn ich das allein sein brauche und genieße, liebe ich es, die Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich schätzen wie ich bin und wer ich bin. Ich mache mir auch jetzt darüber Gedanken, ob ich irgendwann einmal die ältere Dame sein werde, die mit einem Hund unter dem Arm, einer riesigen Hut und einer überdimensionalen Sonnenbrille in einem Pariser Cafe sitzen wird und alleine die Weinschorle, in der Mittagssonne, genießt.

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