top of page
  • samtweich

Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit



Ich möchte das Buch zu Ende schreiben und Französisch lernen. Eigentlich wollte ich den Podcast hören und das Theaterstück anschauen, den Artikel lesen und diese Materialien erstellen .. und immer stehe ich vor dem gleichen Problem. Ich habe keine Zeit, ich bin müde und erschöpft und der Terminkalender ist voll. Ich kann nicht einfach einen Tag auf Pause drücken und nichts machen. Es gibt zu viel, was neben Care-Arbeit, die Zuhause auf mich wartet, weniger gewertschätzt und gesehen wird, anfällt. Ich brauche Zeit für mich und trotzdem sind es Terminen, die mich zwingen, die Listen abzuarbeiten. Listen die gefüllt werden, von Dingen die spannende, intellektuell und allgemeinbildend sind. Wir haken lieber etwas ab, auf was die Gesellschaft stolz ist, was von ihr angesehen wird und was von ihr als etwas Positives adaptiert wurde, als das wir auf ein Blatt schauen, welches Haken an Wäsche waschen, Kochen und Fensterputzen, aufweist.

Bereits junge Mädchen habe das Problem, nicht genügend Zeit zu haben.

An manchen Tagen wache ich um sechs Uhr auf und denke bereits darüber nach, was ich alles noch erledigen und abarbeiten muss. Die Lösung: Zeitmanagement. Doch ist es das wirklich? Ich bin mir nicht so sicher, denn ich weiß gar nicht wie oft ich mich dabei ertappt habe, am Mittag bereits auf den Tag zurückzublicken und mich zu loben, wie viel ich tatsächlich schon geschafft habe. Der Workload ist enorm, viel zu hoch und auch ich ertappe mich dabei, Menschen unbewusst zu verurteilen, wenn sie den ganzen Tag nichts weiter machen, als Essen zu bestellen und Netflix zu schauen. Doch eigentlich ist es ein Zeichen, wie so oft des Körpers, der auf den Alltag, Stress und die Gedanken reagiert.

Ich kann niemanden erzählen, wie es richtig geht, aber ich kann behaupten, dass wir alle anders sind und anders mit Stress umgehen. Wohin einige aus 24h 32h machen, sind manche bereits mit einem 4h Job überfordert.

Die Gesellschaft, ich mich selbst und wir alle, definieren uns über Leistung und unseren Berfuf. Wie viel hast du bereits geschafft, was hast du geleistet, wo stehst du und was kannst du noch erreichen. Frauen die mit Mitte zwanzig bereits eine Firma gegründet haben, scheinen mehr wert zu sein, als diejenige die zuhause bei ihren zweijährigen Sohn bleibt oder einen Teilzeitjob im Nachbardorf ausübt. Doch ist es nicht eher einen Sache der Interpretation und wie wertschätzend wir mit uns selbst umgehen. Je härter ich zu mir selbst bin, desto härter bin ich auch zu meinem Gegenüber. Sehe ich meinen Wert nur über Leistung, werde ich das auch bei anderen Personen machen und diese darüber bewerten. Doch scheint es nicht auch so, dass diese Personen, die auf der Leiter immer weiter nach oben wollen, nach mehr streben, ihre Freizeit und jede Chance auf Weiterbildung effektiv nutzen, auch viel häufiger gestresst, überarbeitet und ausgebrannt sind? Woran liegt das, an dem fehlenden Zeitmanagement oder doch dem unausgewogenem Gleichgewicht? Heißt das im Umkehrschluss dann, dass ich noch mehr Zeit in Atemübungen, Mediation und Yoga stecken muss. Ich vielleicht doch einen Therapeuten brauch und dann das bisschen Freizeit, welches ich habe, darauf verwenden die Zeit für die mentale Fitness zu nutzen und die tollen Tools, die ich auf Social Media sehe, ausprobieren muss?

Ich denke nicht, dass das der richtige Ansatz ist, denn dieser ist bereits von Minute eins mit dem Problem des Stresses kombiniert. Es muss vielmehr um die richtige Zeit gehen, die Zeit, die wir wirklich nutzen wollen.

Was wollen wir aber wirklich, was brauchen wir und worin sehen wir uns? Muss ich wirklich gerade den Podcast hören oder fange ich erstmal da Buch an.

Es hilft nichts, wenn wir alles ein bisschen machen, überall ein bisschen probieren und den kleinen Finger in alles eintauchen. Wir können alles machen, alles erreichen und heute mit dem anfangen, woran wir gestern noch gar nicht gedacht haben. Aber es geht nun einmal nicht alles gleichzeitig, sondern nur nach und nach.

Es geht darum, die Zeit für die wirklich, für uns, wichtigen Dinge zu managen und freizuräumen. Eltern zu sein ist zeitlich ganz anders strukturiert, als für vollzeitarbeitende Single-Frauen. Wir müssen uns aber auch viel mehr selber feiern und uns loben. Sei stolz auf deinen Erdbeerkuchen und darauf, dass du das Buch beendet hast. Viel weiter entfernen von gesellschaftlich indoktrinierten Gesetzmäßigkeiten und hin zu einem Selbstbewusstsein, welches wir dadurch aufbauen, an das zu glauben. was wir wirklich wollen und wer wir sind. Es muss allen Bedingungen und Bedürfnissen Raum gegeben werden und de Stimme zu hören um mehr zu erleben und zu diskutieren.

Das Problem, keine Zeit zu haben, wird uns von der Gesellschaft ausgestrahlt und scheint längst unüberwindbar zu sein. Doch den Stress, das Gedankenchaos und die Spirale hinab, entwickeln wir selbst. Sei frei und sei auf das stolz was du heute geschafft hast. Vielleicht war das größte Erlebnis, der Milchschaum aus dem Aufschäumen für deinen Cappuccino. Und weisst du was? Das ist vollkommen in Ordnung. Vielleicht hattest du heute keine Kraft auf ein Mittagessen und eine stundenlange Vorbereitung in der Küche. Auch das ist vollkommen in Ordnung, denn dein Körper hat dir signalisiert, dass du eine Pause brauchst, dich erholen musst und auch einmal die Beine hochlegen darfst.


PS: Vielleicht ist gerade heute der Tag, an dem du ein Eis von Ben&Jerrys essen solltest oder den Roséweine aus deinem Regal öffnen musst.

bottom of page