Sophie warum bist du Single? Möchtest du denn nicht auch einmal in den Armen eines Mannes einschlafen, dieses Gefühl spüren, dass sich jemand um dich sorgt, jemand an dich denkt und dir jemand schreibt?
Hmm ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Ich denke ich kann es nicht mehr beantworten, nicht weil ich nicht will, sondern weil ich glaube, dass ich nicht mehr weiß wie es sich anfühlt und ich verlernt habe, dass zuzulassen? Zugegebenermaßen ich date viel. Hier und da gibt es dann doch einen Mann, den ich zumindest auf einen Kaffe treffen kann, doch danach? Ich weiß es nicht, es gibt immer etwas was mich stört, immer etwas was ich finde, wieso ich weiß, dass es nicht funktionieren wird.
Ich mache das ganze Szenarium an einem Beispiel deutlich, da ich wirklich finde, dass Daten und Verabredet, das zweite Date und das *ich lasse mich mal auf dich ein* so schwer geworden ist.
Vor ein paar Wochen traf ich auf diesen einen Mann, intelligent, lustig, groß und naja ich würde nicht behaupten, dass er mein Typ ist, aber ich ließ mich ein. Irgendetwas hatte er an sich, dass mich faszinierte. Ich redete mir also ein, Sophie versuche es doch wenigstens einmal. Von heute auf morgen blieb das Display weiß, die Nachrichten blieben aus und ach wie komme ich denn darauf, dass ich im 21. Jahrhundert eine Antwort erwarten könnte. Wir nenne dieses Phänomen: Ghosting, und wenn es dir noch nicht passiert ist, dann weißt du sicherlich mit diesem Wort etwas anzufangen. Es ist ein Szenarium, welches nicht nur in der Phase des Datens zu finden ist, sondern auch in Beziehungen. Man sieht es immer wieder, dass derjenige, denn du gerade gedatet hast, sich auf einmal in Luft auflöst. Die Nachrichten werden gelesen, geantwortet wird nicht oder du wirst gleich ignoriert. Eigentlich sind dir auch dadurch alle Möglichkeiten genommen, mit diesem Menschen in Kontakt zu treten, denn du willst ja nicht der Psychopath sein, der vor seiner Wohnung wartet.
Der Mann, die Frau, dein Date ist so schnell von der Bildfläche verschwunden, wie er/sie in dein Leben getreten ist.
Vergleicht man verschiedene Studien lässt sich ein Unterschied zwischen allmählichen und plötzlichen Ghosting feststellen. Wenn sich jemand von heute auf morgen nicht mehr meldet, dann spricht man von einem plötzlichen Ghosting, wohingegen das allmähliche schleichend eintritt, so dass man am Ende immer weniger gemeinsam macht, weil man sich zurück zieht.
Ich habe mich gefragt, wieso wir das machen, wieso man einander nicht den Respekt entgegen bringen kann und ehrlich sowie offen miteinander kommuniziert. Es hängt tatsächlich mit der Einstellung des Menschen hinsichtlich einer Beziehung ab.
In der Gesellschaft unterscheiden wir zwischen Menschen die die Beziehung als Schicksal bezeichnen und denen die diese als ein Wachstum sehen. Wenn es um ein Schicksal geht, dann reden die meisten auch von der großen Liebe, das Beziehung unveränderlich und immer stabil sein müssen und das Gefühle eben kommen und gehen können. Das können wir nicht beeinflussen. Menschen die an den Wachstum glauben, sind der Meine, dass die Beziehung wächst und das der Clue Kommunikation ist, an der man arbeitet. Herausforderungen können gemeinsam gemeistert werden können. Liebe kann also gezielt geschafft werden.
Verbinden wir das Ganze mit dem Ghosten, sind wir uns einig, denn Menschen die die Beziehung als Schicksal sehen, dem Ghosten positive gegenüber stehen. Diese Personengruppe findet Ghosting bis zu 66% akzeptabler. Menschen die die Beziehung als Wachstum sehen, stehen dieser Methode weniger stark positiv gegenüber.
Die Frage, warum man aber überhaupt Ghostet, ist damit allerdings noch nicht beantwortet.
Männer und Frauen ghosten aus Bequemlichkeit und Sicherheit.
Wir haben ein Date und es läuft gut, doch irgendwie ist das alles doch sehr anstrengend. Das nächste Date läuft besser und irgendwie finde ich die Person, die ich gedatet habe am Ende doch nicht so interessant. Es ist wesentlich anstrengender und komplizierter, darüber zu reden und es dem Gegenüber zu erklären. Zum einen benötigen wir dazu Zeit, dabei sind die Emotionen, die bei solchen Gesprächen entstehen, noch gar nicht mit einkalkuliert. Mit dem Ghosten erspare ich mir das Ganze, denn mit ein paar Klicks und dem Ignorieren, trenne ich ganz leicht, ohne viel Drama eine Verbindung. Menschen die Ghosten haben meistens Angst, Angst vor Drama und sich damit auseinander zu setzen. Sie wollen weder die Emotionen zulassen noch sich damit konfrontieren lassen.
Es ist auch erwiesen, dass Beziehungen oder kurze Liebschaften, auf diese Art und Weise viel häufiger enden, da die Hemmschwelle wesentlich kleiner ist.
Schlussendlich gibt es aber auch noch zwei weitere Gründe, wieso man einander ghostet, denn die meistens Menschen denken nur an sich selbst und versuchen sich dadurch selbst zu schützen. Sobald es kompliziert wird, sobald Gefühle ins Spiel kommen und sobald ich mich vielleicht auf den anderen einlassen müsse, verschwinde ich. Zurück in mein Leben, welches ich mit meinen Mauern eingegrenzt habe. Die Gefühle, die durch Beziehungen gefördert und verletzt werden, stecke ich zurück in die Schublade. Menschen die merken, dass es unangenehm wird oder das evtl. ein Problem entstehen könne, meiden diese Face-to-Face Auseinandersetzung bzw. meiden überhaupt erst einmal die Konversationen, in welcher ich mich mit der Person und der Problematik auseinandersetzen müsste.
Leider hat die Ära der Dating-Apps auch hier seine Spuren hinterlassen. Es ist so einfach nach links und rechts zu wischen, dass wir verlernt haben, wie es ist, sich wirklich mit einer Person länger auseinaderzusetzten. Der Dating-Supermarkt ist riesig und wenn ich das Interesse an dem Gegenüber verliere, wische ich einfach auch diesen aus meinem echten Leben weg.
Links, Rechts, heute du und morgen der Nächste. Und es ist so einfach und doch auch so kompliziert. Wir haben Angst.
Auch ich habe Angst, so weit ich mich selber analysiert habe. Aber was noch viel mehr zutrifft ist, dass ich es Leid bin, meine Bedürfnisse hinten anstellen müssen. Ich habe so viele Menschen kenngelernt, die nur an sich denken, die nur von sich reden und am Ende eines Abends nicht mal deinen Namen kennen. Natürlich investiere und gebe viel mehr als die meisten Menschen verdienen. Warum? Weil ich an das Gute glaube, weil ich die Hoffnung noch nicht aufgeben habe und weil ich weiß, dass das Schicksal ein mieser Verräter ist. Ich weiß, dass Gefühle sehr weh tun können, dass haben wir alle schon spüren müssen. Doch mit 27 stelle ich mir die Frage, wozu soll ich mich diesen aussetzen, wenn der Preis dafür viel zu hoch ist.
Ich wünsche mir die Zeit zurück, in der alles viel einfacher schien, in der das Daten noch mehr Bedeutung hatte und in der man einander verstanden hatte, weil die Kommunikation klar war. Wie oft ich mit Freundinnen Gespräche darüber führe, wieso er jetzt so gehandelt hat oder wieso er diese Worte gewählt hat, lassen sich schon gar nicht mehr zählen. Doch ich glaube, dass wir zum einen niemals verstehen, was in dem anderen vorgeht und auch das andere Geschlecht es sehr oft nicht besser weiß bzw. uns nicht versteht.
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